Milan
Türkiye 2/2
Die Zeit und Strecke an der türkischen Riviera waren wundervoll, viele verlassene Strände, antike Ruinen und Städte haben stehts zum Entdecken eingeladen. Ich habe die Abkühlungen im klaren, azurblauen Meer so oft wie möglich ausgenutzt.
Ich besuchte Kaş, ein kleiner schöner Ort an der Mittelmeerküste im Südwesten der Türkei, wo man gut ausgehen und Livemusik geniessen konnte. Der moderne Küstenort befindet sich auf dem ehemaligen Stadtgebiet des antiken Antiphellos. Dessen Ruinen sowie ein Theater können heute noch besichtigt werden. Bevor es für mich quer durchs Land ging, verbrachte ich noch einige Tage in Olympos. Olympos ist eine antike Stadt an der Ostküste Lykiens (Kleinasien, Türkei). Die Ruinen faszinieren durch ihre malerische Lage an einem Bachlauf in Strandnähe. Olympos ist zudem ein wahres Kletterparadies, ich habe die Chance genutzt und ging mit einem Guide Klettern. Nach dem Klettern ab ins Meer schnorcheln und köstlich Abendesse. Ferien in den Ferien.

Quer durch die Türkei nach Georgien
Nach langer Auszeit am Meer und sehr wenig gefahren Kilometern ergriff mich die Lust nach der Weite wieder. Zugleich wollte ich mal sehen, wozu ich in der Lage bin, wenn ich jeden Tag Strecke mache und mir ein fernes Ziel setze. Dadurch erhoffte ich mir später beim Planen von meinen Reisen einen Anhaltspunkt von Distanz und Zeit zu bekommen. Los geht’s quer durch die Türkei, das Ziel ist Tiflis in Georgien.
Tag 1: Von Olympos vorbei an Antalya und ab in das türkische Gebirge. Google Maps schickte mich über eine Strasse die gerade erst am Entstehen war, demensprechend gab es hier und da Bauarbeiten und Schotterpassagen. Der grosse Vorteil: Ich hatte die Strasse für mich allein.
Am Beyşehir Gölü – See machte eine Pause und kochte auf dem Weg gekauftes Gemüse zu einem Mittagessen. Danach gab es Çay bevor ich mich auf die letzte Tagesetappe nach Konya machte.



Beyşehir Gölü – See:

In Konya traf ich mich mit Ibrahim, er war so freundlich und hat meine Couchsurfing Anfrage am Vortag akzeptiert. Wir verbrachten einen unterhaltsamen Abend in Konya, redeten über unsere Kulturen, gingen türkisch essen und liessen den Tag beim Shisha rauchen ausklingen. Ibrahim arbeitet als Reporter in Konya und war schon mehrere mal im Balkan unterwegs. Seine Gastfreundschaft und Offenheit haben mich sehr berührt. Danke Ibrahim!

Tag 2: Am nächsten morgen ging es für Ibrahim zur Arbeit und für mich auf die das Motorrad nach Göreme in der Gemeinde Kappadokien. Kappadokien ist eine Landschaft in Zentralanatolien in der Türkei. Das Gebiet, das als Kappadokien bezeichnet wird, umfasst heutzutage hauptsächlich die Provinzen Nevşehir, Niğde, Aksaray, Kırşehir und Kayseri. Einer der bekanntesten Orte ist Göreme mit seiner aus dem weichen Tuff herausgehauenen Höhlenarchitektur. Göreme gilt als das Zentrum Kappadokiens, der dort befindliche einzigartige Komplex aus Felsformationen wurde 1985 von der UNESCO als gemischte Kultur- und Naturerbestätte „Nationalpark Göreme und die Felsbauten von Kappadokien“ in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Eine weitere Besonderheit ist eine Vielzahl unterirdischer Städte, deren bekannteste Kaymaklı und Derinkuyu sind, die von Archäologen seit den 1960er Jahren freigelegt wurden.
Die Fahrt nach Göreme war anders als am Tag 1, sehr monoton und langweilig: Lange geradeausfahren auf einer Schnellstrasse bei heissen 34 °, naja… Was mich jedoch in Göreme erwarten würde, konnte ich mir in meinen wildesten Vorstellungen nicht ausdenken. Bilder sagen mehr als 1000 Worte:



Magisch! Das ist das Wort, welches die Geologie und die Atmosphäre von Göreme für mich am besten beschreiben. Ich kam aus dem Staunen nur selten raus. Kappadokien ist sehr bekannt für die vielen Heissluftballons, welche jeweils zu hunderten vor Sonnenaufgang in die Morgendämmerung steigen. Das Gebiet ist zudem ein wahres Motorradeldorado, man darf sich frei in den sandigen Tälern und Hügeln bewegen. Ich hatte dabei einen RIESEN Spass!
An nächsten Tag wollte ich eigentlich einen Heissluftballonfahrt machen, leider war das Wetter unstabil, so dass alle Touren abgesagt wurden. Ein anders mal…, ich komme gern wieder hier her. Aus diesem Grund beschloss ich Göreme zu verlassen und weiterzufahren.
Tag 3: Mein Tagesziel war nach Kemaliye zu gelangen. Kemaliye ist ein kleines Bergdorf, welches am Fluss Euphrat liegt. Was mich auf diesen Ort gebracht hat, war die eigentliche Strasse dorthin: Kemaliye Taş Yolu (Steinstrasse von Kemaliye) ist eine der extremsten Strassen der Welt. Diese handgefertigte Strasse in der Region Ostanatolien in der Türkei ist nur für Fahrer mit starken Nerven geeignet.
Was ich nur bestätigen kann! Sie führt über hunderte von Metern ungeschützt durch Leitplanken und 38 unbeleuchtete Tunnels. Ich mag solche Abenteuer :)
https://www.dangerousroads.org/europe/turkey/3924-kemaliye-ta%C5%9F-yolu.html

Euphrat:





Strasse von Kemaliye:


Das befahren der Strasse war sehr aufregend und hat richtig Spass gemacht. Die unbeleuchteten Tunnel waren neben den tiefen Schluchten das Highight! Als die Strasse endete und ich wieder auf Asphalt fuhr war ich schon sehr müde und ich suchte mir einen passenden Platz um mein Zelt aufzuschlagen. Nach einigem hin und her entschied ich mich, ein wenig skeptisch, für eine Kiesbank nahe am Euphrat. Der Spot war zwar wunderschön doch die Lage, zu nahe am Fluss?... Ach was solls. Ich war so erschöpft, dass ich nicht mehr weitersuchen wollte und blieb auf der Kiesbank. Nach dem Abendessen genoss ich die Ruhe und die wunderschöne Natur um mich herum, bevor ich mich müde und zufrieden ins Zelt legte. Ich schlief sehr schnell ein.
Hin und Her:

Mein Schlafplatz auf der Kiesbank:

Tag 4, 03:00 Uhr morgens: Ich erwache aus dem Tiefschlaf und mir ist zu Beginn nicht ganz klar, warum und was gerade hier vor sich geht. Ich höre Wasser-Geräusche und Plätschern aus nächster Nähe. Träume ich? Mit den Händen taste ich die Bodenränder des Innenzelts ab, es fühlt sich an wie ein Sack voller Wasser nur in die andere Richtung: Ein Luftsack (Zelt) umgeben von Wasser? Vorsichtig öffne ich den Zelteingang. Wasser! Fliessendes Wasser! Um das Zelt, Motorrad, alles, alles unter Wasser!
Schock und Panik machen sich breit. Was wenn das erst der Anfang ist und der Pegel des Euphrats noch weiter ansteigt? Was wenn alles den «Bach ab geht»? Vom Schrecken getrieben und voller Adrenalin springe ich aus dem noch trocknen Zelt in den fliesenden Euphrat. Das Wasser war zu diesem Zeitpunkt ca. 15 cm hoch. In aller Eile rette ich mein Zelt, Kleidung und Gepäck auf eine höhere Ebene unweit des Motorrads.
Da stecke ich nun, tief in der Sche****/dem Wasser. Es ist stockfinster und ausser dem atemberaubenden Sternenhimmel ist nichts zu sehen. Leider wird mir an diesem Morgen nicht er den Atem rauben. Zum «Glück» habe ich eine Stirn- und Taschenlampe dabei, mit welchen ich mich umsehen kann. Mein Bike welches noch sicher auf dem Seitenständer stand, galt es als nächstes zu bergen. An dem Ort, wo es stand, war es nicht sicher. Falls der Strom zunehmen würde, könnte ich es nicht halten und es würde davongeschwemmt werden. Das Wasser stand nun bis zur Hälfte der Räder. Ich startete meine Maschine und begann mithilfe des Motors und gegen den Strom zu stossen. An den Ort, wo ich auf die Kiesbank gekommen bin. Ich erreich den Ort ohne grössere Probleme, blieb dann aber im weicheren Kies stecken und das Hinterrad vergrabet sich. Keine Chance das Motorrad nur einen Millimeter zu bewegen. Zumindest war es jetzt verankert, doch wie lange noch? Mir blieb nichts anders übrig als den Horror mitzuverfolgen. Wie stark würde die Strömung noch zunehmen, der Euphrat noch ansteigen? Gemütlich platzierte ich meinen Campingstuhl im trockenen und beobachtet das Geschehen. Zu meinem Glück bemerkte ich nach etwa einer Stunde, dass der Pegel allmählich abnahm. Langsam kam auch die Morgendämmerung und es wurde hell. Guten Morgen! Nochmals Glück gehabt. Die Kiesbank kam langsam wieder zum Vorschein und mein Bike war zwar tief im Kies, doch immer noch am selben Ort. Die Bergung konnte weiter gehen, Juhu! In der Nähe war eine Baustelle, wo ich mir, ohne zu fragen, da noch niemand da war, eine Schaufel und Holzbalken geliehen hab. Ohne, wäre es sehr mühsam geworden.




Das Bergung in Zeitraffer:
Diese Aktion wird mir wohl für immer eine Lehre sein: Campe nie wieder zu nahe an einem Fluss! Das schlimmste am Ganzen war, dass ich den Ort beim ersten Besichtigen aus Vorahnung, es könnte so etwas geschehen, verlassen habe. Dann aber wieder voller Naivität zurückgekommen bin, weil ich keinen besseren Ort gefunden habe. Selber schuld.
Ausser meinen Nerven, Sandalen, Zelt, Kamera und Kochutensilien gab es keine grösseren Opfer. Das Motorrad war nicht zu tief im Wasser so, dass es problemlos starten konnte. Den Rest des morgens habe ich damit verbracht alles trocknen zu lassen und zu guter Letzt gab es noch eine Çay-Session mit den freundlichen Bauarbeitern, von denen ich mir die Schaufel geliehen habe. Motorrad gepackt und wieder los. Ich verspüre Dankbarkeit. Es ist nochmals gut gegangen ich bin wieder auf dem Weg, alles läuft, die Reise geht weiter.

Nach etwa drei Stunden erreichte ich mein Tagesziel, Bayburt. Da bei der Bergung des Zelts ein Gestänge gebrochen war und ich so das Zelt nicht aufbauen konnte, gönnte ich mir ein gutes Hotel. Ich brauchte die Erholung. Es tat unglaublich gut einfach auszuruhen und gut auszuschlafen.
Tag 5: Ausgeruht machte ich mich auf den Weg über die D915. Die D915 ist wieder eine anspruchsvolle Strassen. Sie befindet sich an der Grenze zwischen dem Schwarzen Meer und der Region Nordostanatolien in der Türkei.
Kaum über der Passhöhe wechselte die Vegetation unfassbar schnell von trockener Wüste zu sattem Grün. Es sieht ein wenig aus wie in der Schweiz. Auf der Strasse machte ich bei einem kleinen Caféhaus halt und wurde sofort, zum gerade zubereiteten Essen eingeladen. Warum nicht, es gibt Lam. Wir assen alle aus einer Pfanne und ohne Teller, perfekt!
Nach der D915 fuhr ich noch etwa 100 km am Schwarzen Meer in Richtung Norden, bevor ich in einem Gasthaus ankam. Letze Nacht in der Türkei und wieder am Meer. Ich nutzte die Gelegenheit und ging wieder Baden.
Letzter Sonnenuntergang in der Türkei aus meinem Zimmer.

Tag 6: Die Grenze zu Georgien war nur eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Der Grenzübergang verlief sehr gut. Es war heiss und feucht an dem Tag, so das die Fahrt einiges abverlangte. Mit Hitze habe ich bis jetzt eher wenig Probleme gehabt, aber die Kombination mit hoher Luftfeuchte war schon eine Challenge. Angekommen in Georgien soll ich, so der Grenzbeamte, eine obligatorische Versicherung für mein Motorrad lösen. Die Busse könnte bis 200 Euro hoch sein, die Versicherung für einen Monat kostet mich 15 Euro. Okey, gemacht und los in Richtung Tiflis. Ich bemerkte schnell das es stimmt, was man so über die Fahrkultur und Verkehr in Georgien hört. Wilde und gefährliche Überholmanöver bei durchgezogener Mittelline (auch doppelt) gehören zur Normalität. Auf zweispurigen Gegenverkehrstrassen kann immer eine dritte, imaginäre Bahn in der Mitte dazu gedacht werden, die zum Überholen von beiden Seiten dient. So ist es nun mal, entweder man fliesst im Fluss oder bleibt frustriert liegen.
Ich habe mir eine ländliche Unterkunft zwischen Batumi und Tiflis gebucht (Dimis Ferdobi). Diese kann ich nur wärmstens empfehlen, ich fühlte mich hier wie bei meiner Grossmutter in Serbien. Es gab selbstgemachten Wein und köstliche zubereitetes georgisches Essen. Ich genoss den Aufenthalt sehr.
-> https://dimis-ferdobi.business.site/
Tag 7, Ankunft Tiflis:
Vor mir lagen nur noch 3 Stunden fahrt bis nach Tiflis. Die hälfte davon war Autobahn, die andere Schnellstrassen. Die Natur und Umgebung, die ich auf dem Weg zu Gesicht bekam, waren wunderschön. Überall waren Kühe und wilde Pferde zu sehen. Eine Kuh kam mir sogar bei der Autobahneinfahrt entgegen. Diese Szene war einiges gefährlicher als der georgische Fahrstil. Ich kam heil und sicher an mein Ziel an.


Geschafft! 2000 km in 7 Tagen. Ich blicke zurück auf einen 7-Tages Marathon mit unglaublicher landschaftlicher und kultureller Vielfalt. Euphorisch gute, sowie harte und anspruchsvolle Momente. Generell kann ich sagen, dass ich so was wieder machen würde, ich war noch nicht am Limit. Dieses auszureizen war auch nicht das Ziel. Ich wollte lediglich eine gute Balance zwischen zügigem Vorankommen und genügend Zeit zum Entdecken von Orten austesten. Wenn ich das nächste mal eine Distanz von 2000 km sehe, kann ich nun ungefähr mit +- einer Woche rechnen, wenn es schnell gehen soll. Ich war nicht nur vom Fahren erschöpft, sondern auch vom ständigen Vorbereiten der Routen, aus- und einpacken und vom Verarbeiten der Erfahrungen und Eindrücke. Nun war es Zeit anzukommen. Ich buchte mir eine Unterkunft für eine ganze Woche. Es fühlte sich unheimlich gut an meine Kleidung in einen Schrank einzuräumen, meine Sachen an Orte hinzustellen und zu sagen: «Da bleibt ihr jetzt, basta!»
